Dirk Staubach: Neue Clearingverträge sollen Weg zum Verpackungsgesetz regeln

 In Interview

Interview mit Dirk Staubach, Geschäftsführer der Landbell GmbH

 

Es herrscht Aufregung in der deutschen Entsorgungsbranche, nachdem sieben der zehn dualen Systeme – darunter auch Land- bell – entschieden haben, die bestehenden Clearingverträge zu kündigen. Wie kam es zu diesem Schritt?

Für uns als Landbell hat die Rechtssicherheit unserer Kunden und der Entsorgungswirtschaft oberste Priorität. Wir wollen ein wettbewerbsneutrales und zuverlässiges Clearing der Entsorgungskosten. Dafür ist es notwendig, die bestehenden Clearingverträge zu verbessern und aufgetretene Lücken zu schließen. Das einseitigen Vorpreschen dreier Systembetreiber Anfang August und ein zu Teilen unkooperatives Verhalten der Akteure führte leider zu keiner Lösung. Deshalb sahen wir uns gezwungen, die bestehenden Clearingverträge zum Jahresende zu kündigen. Nur so lässt sich eine Wiederaufnahme der Verhandlungen forcieren. Nur ein von allen zehn Systemen getragener Clearingvertrag schafft die Rechtssicherheit für Kunden und Entsorger für das Jahr 2018.

 

Die drei Systembetreiber DSD, Interseroh und Belland Visi- on hatten bereits Anfang August ihren Ausstieg aus den beste- henden Clearingverträgen verkündet. Hat Sie dieses Vorgehen überrascht?

Der Alleingang der drei Systeme hat uns in der Tat überrascht und sehr enttäuscht. Damit wird unnötigerweise das Image der gesamten Branche aufs Spiel gesetzt. Grabenkämpfe zwischen den einzelnen Systemen und die damit verbundenen Negativschlagzeilen drohen zum bestimmenden Bild in der Öffentlichkeit zu werden und könnten die Erfolge der privatwirtschaft- lich organisierten Verpackungsentsorgung in Deutschland in den Hintergrund rücken. Das ist insbesondere im Hinblick auf das baldige Inkrafttreten des Verpackunsgesetzes äußerst unglücklich und gefährlich. Wir als Landbell haben uns deshalb in den vergangenen Wochen sehr um eine zügige und einvernehmliche Lösung zwischen allen zehn Systemen bemüht und setzen uns auch weiterhin dafür ein, dass die Rechtssicherheit und das Vertrauen in die Branche zeitnah wiederhergestellt werden.

 

Auslöser für die jüngsten Entwicklungen war auch das erneute Auftreten des sogenannten Mengen- schwunds. Wie entsteht dieses Problem eigentlich und wie schlimm ist es?

Die Inverkehrbringer von Verpackungen melden ihre Lizenzmengen beim Register des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Die dualen Systeme melden ihre Mengen sowohl an die Clearingstelle als auch an das DIHK-Register. Wenn alles richtig läuft, stimmen alle Meldungen überein. In den letzten Jahren ist es jedoch immer wieder zu nicht nachvollziehbaren Abweichungen in erheblichen Größenordnungen gekommen. Das Problem des Mengenschwunds ist also leider kein neues. Teilweise haben diese Abweichungen banale Gründe. So hat sich ein Mengenschwund bei Leichtverpackungen aus dem Herbst 2010 im Nachhinein als Eingabefehler herausgestellt. Ein Unternehmen hatte seine Mengen statt in Kilogramm in Tonnen beim DIHK-Register eingetragen. Teilweise sind die Ursachen der Mengenabweichungen aber bis heute unklar. Das ist ärgerlich. Denn Verschiebereien und Falschmeldungen von Verpackungsmengen behindern nicht nur den fairen Wettbewerb zwischen den Systembetreibern, sondern schwächen auch unser Ansehen und damit das Vertrauen in die gesamte Branche. Als Reaktion auf den Mengenschwund haben wir bei Landbell unsere Zahlen nicht nur von dem Systemwirtschaftsprüfer, sondern von einem weiteren, unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestätigen lassen. Unsere Mengenmeldung an das DIHK-Register entspricht der Meldung an die Clearingstelle.

 

Wie kann man dem Problem des Mengenschwunds zukünftig entgegenwirken?

Das duale System kann nur funktionieren, wenn vom großen Händler bis zum Kleinstunternehmen alle Inverkehrbringer, aber natürlich auch alle Systembetreiber, ihre Mengen wahrheitsgemäß melden. Wenn alle Marktakteure an einem Strang ziehen, kann mit dem dualen System nicht nur das Abfallaufkommen erfolgreich mini- miert, sondern auch ein größtmöglicher Teil der anfallenden Men- gen einem hochwertigen Recycling zugeführt werden. Wir haben das Thema Mengenschwund und die damit verbundenen Probleme mehrmals bei den relevanten Akteuren angesprochen und uns auch deshalb nicht nur intensiv für eine Verschärfung der Clearingverträge, sondern auch für das Verpackungsgesetz eingesetzt, das ent- sprechende Lösungen hierfür vorsieht. Letztendlich stehen die Inverkehrbringer von Verpackungen in der Verantwortung einer sachgerechten und rechtssicheren Zuordnung ihrer Verpackungsarten. Dieser Aufgabe gerecht zu werden, wird durch das Verpackungsgesetz nicht leichter.

Das Verpackungsgesetz tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. Welche Lösungsansätze sieht es für das Problem des Mengenschwunds vor? Mit dem Verpackungsgesetz wird eine sogenannte Zentrale Stelle geschaffen. Ihr kommt bei der Bekämpfung des Mengenschwunds eine wichtige Rolle zu. Denn Hersteller und Vertreiber müssen sich nicht nur bei dieser Stelle registrieren, sondern ihr auch die Verpa- ckungsmengen melden, die sie über ein duales System beteiligen. Indem auch die Systembetreiber die gleichen Mengen an die Zentrale Stelle übermitteln, wird ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet. Die Ursachen möglicher zukünftiger Mengenabweichungen las- sen sich so viel schneller und eindeutiger erkennen. Die Zentrale Stelle wird die Vollzugsbehörden außerdem bei der Bekämpfung der Unter- lizenzierung unterstützen. Darüber hinaus bringt das Verpackungsge- setz einige Änderungen mit, die betrügerisches Vorgehen erschweren sollen. So gelten Versandverpackungen zukünftig eindeutig als Verkaufsverpackungen und können daher nicht vorlizenziert werden.

 

Welche Lösungen sind bis zum Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes zu erwarten?

Bis das Verpackungsgesetz am 1. Januar 2019 in Kraft treten wird, sollte der überarbeitete, verschärfte Clearingvertrag das Problem des Mengenschwunds beenden. Es bleibt zu wünschen, dass alle Beteiligten, Inverkehrbringer von Verpackungen ebenso wie duale Systeme, ihre Mengen korrekt und rechtzeitig melden. Die dualen Systeme tragen eine hohe Verantwortung für die Gesellschaft. Diese Verantwortung müssen wir gemeinsam ernst nehmen und dafür sorgen, das Vertrauen in das System aufrechtzuerhalten.

 

Wie unterstützt Landbell seine Kunden in solchen Belangen?

Ein solch komplexer Sachverhalt lässt sich nur über intensive, individuelle Beratung erschließen. Neben unserer Webseite, auf der wir Hersteller und Vertreiber mit allen wichtigen Informationen zur Verpackungsverordnung und zum Verpackungsgesetz versorgen (www.verpackungsgesetz-info.de), sehen wir den Schwerpunkt unse- rer Aufgaben in der Bewertung der kundenspezifischen Fragestellungen. Pauschale Antworten helfen nicht weiter. Was im Vordergrund stehen muss, ist die Analyse der Einzelinteressen und Bedürfnisse. Praxisorientierte, effiziente und rechtssichere Lösungen erarbeiten gerne unsere Experten für alle Interessenten und Kunden.

 

Das Interview ist aus dem RECYCLING Magazin, Ausgabe 18 und hier im PDF-Format einzusehen.  

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