Interview mit Gunda Rachut, Vorstand der Zentralen Stelle

 In Interview

Frau Rachut ist Vorstand der neu gegründeten Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister. Im Interview spricht sie über die Ziele und Aufgaben der Institution und die Zukunft der Verpackungsentsorgung in Deutschland.


Frau Rachut, am 1. Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt neben der Erhöhung der Recyclingquoten die Schaffung der Zentralen Stelle, für deren Leitung Sie als Vorstand verantwortlich sind. Welche Verbesserungen erhoffen Sie sich durch diese neue Institution?

Rachut: Die Erwartungen an die Zentrale Stelle bestehen darin, mehr Transparenz in das Duale System zu bringen und damit für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Wir müssen wieder Vertrauen in das System zurückholen – sowohl bei den Verbrauchern, als auch bei den Systemteilnehmern. Denn ohne die legendäre Sammelwut der Verbraucher, die vorsortieren und damit den ersten wichtigen Schritt für die Ressourcenschonung tun, wäre die Recyclingindustrie in Deutschland nie so weit gekommen. Es geht jetzt um die Stabilisierung und Weiterentwicklung dieses zukunftsweisenden Verwertungs- und Recyclingsystems, damit die Kreislaufwirtschaft in Deutschland echte Fortschritte machen kann.

 

Hersteller und Vertreiber von Verpackungen müssen sich zukünftig bei der Zentralen Stelle registrieren und dieser ihre Verpackungsmengen melden. Welches Ziel steckt dahinter?

Rachut: Bislang gab es verschiedene Datenbänke für die Mengen im Markt, die untereinander nur teilweise abgeglichen werden konnten. Die Zentrale Stelle wird ein gemeinsames Register anlegen, wodurch erstmalig für alle deutlich wird, wer überhaupt Träger der Produktverantwortung für Verpackungen ist. Damit entsteht eine große Transparenz, auch für die Verbraucher. Ergänzend übernimmt die Zentrale Stelle eine Überwachungsfunktion, die bisher auf Landesbehörden, Industrie- und Handelskammern und die Clearingstelle der dualen Systeme verteilt war. Unregelmäßigkeiten werden durch das zentrale Register der Daten jetzt sehr schnell sichtbar – übrigens auch rückwirkend – und können bei Verstößen gegen die Meldepflichten zu Bußgeldern bis hin zu Vertriebsverboten führen.

 

Mit der Schaffung der Zentralen Stelle sollen auch die schätzungsweise 700.000 Trittbrettfahrer eingefangen werden, also die Unternehmen, die ihre Verpackungen trotz Lizenzierungspflicht bisher nicht an einem dualen System beteiligen. Wie wollen Sie die Menge an Registrierungen und Datenmeldungen bewältigen?

Rachut: Zunächst haben wir gerade eine europaweite Ausschreibung für die Erstellung der Registerdatenbank auf den Weg gebracht, damit bis Mitte nächsten Jahres allen Unternehmen rechtzeitig eine Registrierung bei der Zentralen Stelle möglich ist. Gerade die Unternehmen, die beispielsweise im Online-Handel tätig sind, sollten genau prüfen, ob und inwiefern sie lizenzpflichtig sind und ihre Verpackungen anmelden müssen. Es handelt sich bei dem Gesetz um eine Pflicht und damit um eine Bringschuld – wir müssen die Trittbrettfahrer nicht wie Kontrolleure in der U-Bahn suchen. Die Registrierung ist für die Unternehmen bürokratiearm, ein einmaliger Vorgang, der online möglich ist und keinen Rückstau an Bearbeitung nach sich ziehen wird.

 

Die neue Registrierungspflicht gilt auch für Inverkehrbringer von Kleinstmengen. Das klingt nach einer Menge Bürokratie. Gibt es Überlegungen, für diese Pflicht zukünftig eine Übertragbarkeit auf Dritte vorzusehen, um kleine Hersteller und Vertreiber zu entlasten?

Rachut: Die Vorstellung von einer großen Bürokratie mit überforderten Meldestellen ist aus dem vorigen Jahrhundert. Wir arbeiten mit den Daten online. Deshalb kann und wird das Gesetz lizenzpflichtige Unternehmen nicht von der Meldepflicht befreien. Die Zentrale Stelle erarbeitet im Expertenkreis II (Datenbank) gemeinsam mit den dualen Systemen Möglichkeiten der vereinfachten Datenmeldung. Im Zeitalter des Online-Handels sind viele Prozesse komplexer als die der zukünftigen Zentralen Stelle.

 

Welche weiteren Aufgaben wird die Zentrale Stelle ab dem Jahr 2019 übernehmen?

Rachut: Die Zentrale Stelle übernimmt in anderthalb Jahren die Überprüfung der Mengenstromnachweise und die Marktanteilsberechnung für die dualen Systeme. Ab dem 01.01.2019 hat sie aber auch Zugriff auf alle bisher gesammelten Daten – die werden vom DIHK an die Zentrale Stelle übergeben. Unregelmäßigkeiten und Unwuchten im System aus 2018 sind leicht zu erkennen und werden entsprechend nachverfolgt werden. Gemeinsam mit dem Umweltbundesamt werden wir darüber hinaus Mindeststandards für recyclinggerechtes Design erarbeiten, um Anreize für die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft zu setzen. Neben diesen operativen Aufgaben zur Absicherung und Fortentwicklung des Systems gehören auch die Schulung und Weiterbildung der Sachverständigen zu unseren Aufgaben.

 

Die Zentrale Stelle besteht aus mehreren Organen und einem komplexen Geflecht aus Kompetenzen und Zuständigkeiten. Welche Aufgaben haben die verschiedenen Gremien und Expertenkreise und wie setzen sie sich zusammen?

Rachut: Der Aufbau der Zentralen Stelle ist sehr einfach und alles andere als komplex: der Vorstand der Stiftung wird durch das Kuratorium kontrolliert und durch den Verwaltungsrat beraten. Die Besetzung beider Gremien erfolgt nach dem Verpackungsgesetz und nach der Satzung der Stiftung, sie ist transparent und jederzeit auf der Website einsehbar. Ich stehe als Vorstand mit der Stiftung unter der Rechts- und Fachaufsicht des Umweltbundesamtes. Bisher haben drei Expertenkreise getagt, die schon seit anderthalb Jahren für die vorbereitende Projektgesellschaft gearbeitet haben und die vom Kuratorium für die Stiftung übernommen worden sind. Ihre Arbeit kann auch über unsere Website und den Newsletter verfolgt werden. Zu diesen drei Arbeitskreisen, dem EK I (Register – Datenmeldung – Standards), dem EK II (Datenbank – IT) und dem EK III (Recyclinggerechtes Design) kommen im Oktober noch der EK VI für Kommunikation und der EK V  für Finanzierungsvereinbarungen hinzu. Der Beirat ist ein Gremium außerhalb der Aufgaben der Stiftung. Er wurde aus organisatorischen Gründen unter das Dach der Stiftung gelegt. Dort können Vertreter der Systembetreiber, der privaten Entsorger sowie der kommunalen Spitzenverbände und Entsorger praxisnahe Lösungen zur Organisation insbesondere der Wertstoffsammlung finden.

 

Die Entsorgungsbranche diskutiert immer wieder über das Thema Mengenschwund, also über die Abweichungen zwischen den Mengenmeldungen an die Clearing-Stelle und denen an die DIHK. Sind die Schaffung der Zentralen Stelle und die Einführung der bereits erwähnten Datenmeldepflichten die richtige Antwort auf dieses Problem und lassen sich Mengenabweichungen damit zukünftig vermeiden?

Rachut: Ja. Die aktuelle Diskussion um die Clearingverträge zeigt ja, dass die Einrichtung der Zentralen Stelle zu letzten Auseinandersetzungen untereinander führt. Spätestens ab dem nächsten Jahr haben alle Beteiligten mehr Klarheit und Planbarkeit im System, da die Zentrale Stelle hoheitlich agiert und auf der Basis des Gesetzes Lösungen finden kann.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Verpackungsentsorgung und der Dualen Systeme in Deutschland? Gibt es Dinge, die aus Ihrer Sicht verbesserungswürdig sind, um hohe Recyclingquoten auf der einen und niedrige Preise für die Verbraucher auf der anderen Seite zu gewährleisten?

Rachut: Ich bin grundsätzlich, aber auch mit Blick auf die Weiterentwicklung des Verwertungssystems in Deutschland sehr optimistisch. Das Gesetz schafft die Grundlage für einen Neustart mit der Zentralen Stelle, den wir alle für einen Vertrauensaufbau durch starke Nachrichten aus der Recyclingbranche nutzen sollten.

Recent Posts